Als ich vor Jahren bei einem ranzigen Bouquinisten in Marseille eine mir fremde Partitur kaufte, hatte ich zwar schon sporadisch vom russischen fin-de-siècle-Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (1872-1915) gehört, doch so richtig darunter vorstellen konnte ich mir nichts. Wie so oft war das Objekt meiner Begierde zunächst rein visueller Natur. Diese russische, schon etwas zerfledderte Originalausgabe von 1957, sprang mich ob ihrer antiquarischen Nostalgie magisch an. Es war eine Gesamtausgabe der Sonaten und obschon ich kein Wort russisch verstand, war die eigentliche Sprache darin glücklicherweise eine universell verständliche…
So kam ich also zu meiner ersten intensiven Auseinandersetzung mit einem der für mich faszinierendsten, da vielseitigsten und das ganze Spektrum traditioneller bis avantgardistischer Tonsprache abdeckenden Komponisten. Vom frühen Chopin-Imitat reicht sein Werk bis hin zu prä-schönberg’scher Atonalität. Gerade die letzten Sonaten und Werke (Vers la flamme, Poème-nocturne) sind wie große surreale Gemälde, alptraumhafte verschwommene Sequenzen und kaum ein Stück gleicht dem anderen.
Der mitunter verklärte und extrovertiert-exhaltierte (man beachte nur das Verzeichnis exzentrischer Vortragsbezeichnungen, natürlich auf französisch) Impetus driftet dabei aber nie in kruden Wagner’schen Größenwahn oder virtuosen Selbstzweck. Die fünfte Sonate scheint mir die Bruch- und Schnittstelle, von der an ein neuer Weg gegangen werden kann, so als ob das letzte Aufbäumen der Tonalität in den Schlusstakten buchstäblich durch die Decke geht.
Viele der Stücke sind technisch so schwierig, dass ich wahrscheinlich noch jahrelang daran Spaß haben kann, trotz aller Mängel erlaube ich mir hier einige meiner Versuche zu teilen…